Retter müssen 70 Verletzte versorgen


Westerwaldkreis – Massenkarambolage mit etwa 25 Autos und einigen Fahrrädern sowie 70 teils schwer verletzten Personen: Auf diese doch ungewohnte Situation, die es vor einigen Jahren aber auch auf der A 3 bei Montabaur gleich mehrfach gab, trafen angehende Notärzte und Nachwuchs-Orgaleiter aus ganz Rheinland-Pfalz und viele Rettungskräfte aus dem Westerwaldkreis bei einer Großübung am Sonntagnachmittag bei Ebernhahn.

Das vorgegebene Szenario: Eine Fahrradgruppe befährt die Straße bei Ebernhahn. Aufgrund von Unachtsamkeit kommt es zu einem Unfall. In der Folge fahren mehrere Fahrzeuge in die Unfallstelle. Etwa 25 Fahrzeuge sind in die Massenkarambolage verwickelt. Insgesamt werden etwa 70 Personen zum Teil schwer verletzt und müssen durch die Rettungskräfte versorgt werden. Viele Unfallopfer sind in den Fahrzeugen eingeklemmt oder eingesperrt.
In den zerbeulten Autos, die zum Teil sogar in die sumpfige Böschung geflogen sind, schreien Verletzte. Andere, leichter Verletzte laufen umher und verlangen als Erste Hilfe. Manche Opfer liegen einfach nur da oder sind im Fahrzeug eingeklemmt, fast überall ist Blut und Chaos – hier ist der ganze Sachverstand und das Organisationstalent des Notarztes und Orgaleiters gefragt: Wer braucht am dringendsten Hilfe und welche? Wer kann warten? Wer kann die Eingeklemmten bergen? Wie muss der Transport in die Krankenhäuser organisiert werden? Reichen die eingesetzten Kräfte überhaupt aus? Fragen über Fragen, die niemand allein beantworten kann, sondern im Team und auch mit den übergeordneten Kräften klären muss – und das in Sekundenschnelle und mit klaren Angaben. Da die Sanitätskräfte sowie Feuerwehr- und THW-Einheiten erst ziemlich spät an der Einsatzstelle eintreffen (unter anderem galt es genau zu Übungsbeginn noch einen echten kleinen Brand in Wirges zu löschen), haben die „Verletzten“ alle Zeit der Welt, sich so richtig in Form zu spielen.
Immer wieder werden die Notärzte und Orgaleiter von „Verwirrten“ oder rücksichtslos Hilfe einfordernden „Verletzten“ bedrängt: „Ich bin schließlich Privatpatient.“ Doch behalten sie in der Regel ihre Nerven und versuchen, durch klare Dokumentation die Verletzten in bestimmte Gruppen einzuteilen und sachgerechte Hilfe zu organisieren.
Ein wirklich nicht ganz leichtes Unterfangen, wenn eine „erheblich angetrunkene“ Beteiligte immer wieder nervt oder ein „Leichtverletzter“ es tatsächlich schafft, einen der Retter vom „Schwerstverletzten“ zu einem anderen Auto wegzulocken.
Das Ganze beruhigt sich erst dann, als in relativ kurzen Zeitabständen immer mehr Einsatzkräfte aus der Region an der Unfallstelle eintreffen. Die Feuerwehrleute bergen mit einem Großeinsatz von technischem Gerät die Verletzten aus den zertrümmerten Fahrzeugen, die Sanitäter sorgen für eine Erstversorgung und den Transport zur Sammelstelle und weiter zu den Kliniken. Für die zentrale Einsatzleitung wird im strömenden Regen ein Zelt aufgebaut. Die Gesamtleitung der Übung hatten Peter Schüßler, Referatsleiter Gesundheit bei der Landesfeuerwehrschule, und Axel Simonis, stellvertretender Kreisfeuerwehrinspekteur.
Der Kreis nutzte diese Übung zur Überprüfung von Alarm- und Einsatzplänen sowie Rettungskonzepten, zum Testen der Einsatzbereitschaft und natürlich für die Ausbildung. Und das alles unter den kritischen Augen zahlreicher Beobachter aus dem ganzen Land. Zudem wurde die ganze Übung von einer an der Drehleiter montierten Kamera aufgezeichnet. Bei einer abschließenden kurzen Einsatzbesprechung dankten die Verantwortlichen allen Beteiligten. Zudem wurde des vor wenigen Tagen tödlich verunglückten jungen und engagierten Rotkreuzkameraden Matthias Uhl gedacht. Aber damit nicht genug: Die Wehren hatten ihre Ausrüstung noch nicht getrocknet, da mussten sie zu einem Fahrzeugbrand ausrücken. mm

Text & Bild rz-online.de